Glutenfreie Hostien: Viel Lärm um nichts?

Ein katholisch.at-STAND.PUNKT von Dr. Christoph Freilinger

Weitere Informationen: http://www.katholisch.at/aktuelles/2017/07/11/kommunionempfang-bei-zoeliakieerkrankung-weiterhin-moeglich

Ein Rundschreiben der Gottesdienstkongregation an die Bischöfe in aller Welt hat vergangene Woche erhebliches Rauschen im medialen Blätterwald verursacht und es sogar in die Hauptnachrichten des Fernsehens geschafft. Aber warum eigentlich? Schließlich geht es doch um ein Thema aus dem Binnenbereich der Kirche, das für einen Großteil der Bevölkerung längst nicht (mehr) praktisch relevant ist?

Mit Datum des Fronleichnamsfestes, dem 15. Juni 2017, unterzeichnete der Präfekt der Gottesdienstkongregation einen Rundbrief an die Bischöfe zur Brot- und Wein-Materie für die Messfeier. Dieses Schreiben enthält allerdings keine neuen Bestimmungen. Es ruft Vorgaben in Erinnerung, die längst gelten und bereits im Juli 2003 in einem Rundbrief der Glaubenskongregation an die Präsidenten der Bischofskonferenzen bekannt gegeben wurden:

Die Normen über den Gebrauch von Brot mit niedrigem Gluten-Anteil und von Most als Materie der Eucharistie für Personen, die aus verschiedenen schwerwiegenden Gründen normal zubereitetes Brot oder normal gegorenen Wein nicht zu sich nehmen können.

Anlass für das jüngste Schreiben ist, dass Brot und Wein für die Eucharistie mittlerweile auch industriell gefertigt und zu Dumpingpreisen im Internet bestellt werden können – und von Pfarren auch in Österreich auf diesem Weg geordert werden. Da ist es nicht immer leicht festzustellen, ob die angebotenen Produkte den Kriterien des liturgischen Rechts entsprechen. Deshalb mögen die Bischöfe – so das Schreiben der Kongregation – die Verantwortlichen in den Gemeinden dazu anhalten, nur bei vertrauenswürdigen Herstellern einzukaufen, von denen man weiß, dass sie rechtschaffen sind und das Know-how mitbringen.

Das ist nicht verwerflich oder fragwürdig, wie manche Medienkommentare dezent unterstellten, wenn sie hinter dem Schreiben rein wirtschaftliche Gründe und Protektionismus für die innerkirchlichen „Hostienbäckereien“ vermuteten. Viele Firmen und auch Vereine haben sich längst Richtlinien für die Beschaffung von Betriebsmitteln gegeben, die ihrem ethischen Codex oder anderen vereinbarten Gegebenheiten entsprechen.

„Glutenfreies“ Brot für die Eucharistie?

Das Messbuch verlangt zur Feier der Eucharistie ungesäuertes Brot, das aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch ist (vgl. Grundordnung des Römischen Messbuchs 320). Reines Weizenbrot kann aber nicht gänzlich frei sein von Gluten. Deshalb gilt es genau hinzusehen, wenn Kirchenbedarfs-Anbieter „glutenfreie“ Hostien im Sortiment haben.

Als „glutenfrei“ dürfen Lebensmittel bezeichnet werden, die weniger als 20 ppm (20mg/kg) Gluten enthalten. Festgelegt ist dies durch eine EU-Lebensmittelverordnung aus dem Jahr 2007. Es gibt Hostienbäckereien, die „glutenfreie Hostien“ mit diesem niedrigen Grenzwert von max. 20ppm anbieten. Bislang konnte hier allerdings meist ein Grenzwert von 80 ppm aus technischen Gründen kaum unterschritten werden.

Diese Produkte (bis 80 ppm) durften bis zur genannten EU-Lebensmittelverordnung von 2007 als „glutenfrei“ gelten, da für dieses „Label“ solange die hundertfach höheren Grenzwerte (also bis 200 ppm) toleriert wurden. Jetzt sind sie als „glutenarm“ bzw. „glutenreduziert“ zu bezeichnen.

Glutenreduziertes eucharistisches Brot darf für die Messfeier in der Katholischen Kirche verwendet werden, da es als Weizenbrot gilt. Nicht zulässig sind aber die absolut glutenfreien Oblaten aus Kartoffelstärke, da sie eben nicht aus Weizen bereitet sind.

Personen, die auch die geringen Mengen an Gluten nicht vertragen, können kommunizieren, indem sie ausschließlich das „Blut Christi“ empfangen. Was Aufregung in den Medien verursacht hat, ist also keine Änderung der kirchlichen Vorschriften, sondern eine der Lebensmittelverordnung, die aber auch bereits seit Jahren gilt.

Aufreger gentechnisch veränderte Materie

Mit Recht hellhörig ist die Öffentlichkeit, wenn es um gentechnisch veränderte Lebensmittel geht. Papst Franziskus weist in seiner Enzyklika „Laudato si“ auf die Komplexität und die zahlreichen Gefahren solcher Lebensmittelproduktion hin (vgl. 133–135). In Europa, besonders auch in Österreich, werden gentechnisch veränderte Lebensmittel von der überwiegenden Mehrheit strikt abgelehnt.

Nicht zuletzt deshalb wurde in den Medien wiederholt und besonders kritisch auf eine Formulierung im römischen Schreiben hingewiesen, in der es heißt:

Dieselbe Kongregation hat darüber hinaus entschieden, dass eucharistische Materie, die mit genetisch veränderten Organismen zubereitet wurde, als gültige Materie angesehen werden kann.

Das Lebensmittelrecht unterscheidet zwischen Lebensmitteln die „aus“ gentechnisch veränderten Organismen“ (GVO) erzeugt werden, und solchen, die „mit“ GVO erzeugt werden. Bei Letzterem werden GVO im Herstellungsprozess eingesetzt (etwa bestimmte Hefearten), gelangen aber nicht in das Lebensmittel selbst. Das gilt als ethisch unbedenklich und ist längst Praxis bei vielen industriell hergestellten Lebensmitteln, die in jedem Supermarkt erhältlich sind.

Es ist anzunehmen, dass die Gottesdienstkongregation in ihrem Rundbrief eben bestimmte Produktionsverfahren legitimiert, bei denen GVO zum Einsatz kommen, ohne dass diese näher benannt werden. Tatsächlich genmanipulierter Weizen oder gentechnisch veränderte Weintrauben und die daraus gefertigten Produkte müssten nach EU-Recht ausdrücklich gekennzeichnet werden. (Eine Freigabe solcher Produkte läge nicht im Kompetenzbereich der Kongregation und scheint unter einem Papst Franziskus wohl kaum denkbar!)

Kommunion unter beiderlei Gestalten

Die Reformen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben die Möglichkeit für die Kommunion unter beiderlei Gestalten, also den Empfang von „Leib und Blut Christi“ für alle Mitfeiernden, erheblich ausgeweitet. Diese Praxis wäre auch liturgietheologisch wünschenswert. Wo sie tatsächlich geübt wird, bedarf es keiner Sonderbehandlung für Menschen mit Glutenunverträgichkeit: Sie können – wie alle anderen auch – das Blut Christi empfangen.

Anfrage an die Praxis: Anteil an dem einen Leib

Erfreulich ist, dass das jüngste Schreiben der Gottesdiestkongregation – so wie im Übrigen auch das Messbuch – durchgängig von „Brot“ spricht und nicht einfach von „Hostien“ (wie dies das zitierte Schreiben der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2003 überwiegend tut). Das mag die Aufmerksamkeit noch auf einen anderen Aspekt lenken, der sonst kaum im Blick ist:

Genauso wichtig wie die Fragen nach der „biochemischen“ Zusammensetzung der eucharistischen Materie ist nämlich die Gestalt des Brotes für die Messfeier und der Umgang damit. Die entsprechenden Vorgaben des Messbuchs halten nämlich fest:

Die Aussagekraft des Zeichens verlangt, dass man die Materie der Eucharistie tatsächlich als Speise erkennt. Daher soll das eucharistische Brot, auch wenn es ungesäuert ist und in der herkömmlichen Form bereitet wird, so beschaffen sein, dass der Priester bei einer Gemeindemesse das Brot wirklich in mehrere Teile brechen kann, die er wenigstens einigen Gläubigen reicht. Die kleinen Hostien sind jedoch keineswegs ausgeschlossen, falls die Zahl der Kommunizierenden oder andere seelsorgliche Überlegungen sie erforderlich machen. Das Brotbrechen, das in apostolischer Zeit der Eucharistiefeier ihren Namen gab, bringt die Einheit aller in dem einen Brot wirksam und deutlich zum Ausdruck. Ebenso ist es ein Zeichen … der Liebe, da dieses eine Brot unter Brüdern [und Schwestern] geteilt wird. (Allgemeine Einführung in das römische Messbuch, Nr. 283).

Ziel der Bestimmung des Messbuchs ist das Stiften einer zentralen Erfahrung der Feiernden: Im Zerteilen eines Brotes findet die Lebenshingabe Jesu Ausdruck. Er war bereit, sich brechen zu lassen, sich in Liebe zu verschenken. Darin hat unser aller Leben Zukunft.

Wer ein Stück vom Ganzen empfängt, erlebt zudem, was „Kommunion“ bedeutet: Gemeinschaft und Verbunden-Sein mit den anderen in und durch Jesus Christus. In diesem Sinn beten wir etwa im Dritten Eucharistischen Hochgebet: Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit dem Heiligen Geist, damit wir e i n Leib und e i n Geist werden in Christus.

Es wäre ein Gewinn für die gottesdienstliche Praxis im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils, wenn das römische Schreiben Anlass gibt, in den Pfarren vor allem darüber zu sprechen – und entsprechend zu handeln!

Dr. Christoph Freilinger ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Liturgischen Institut (www.liturgie.at)